Wieso sitz ich hier? Wieso schnauft die neben mir so? Die plagt sich wohl auch mit Rückenschmerzen! Sie hat Recht, das ist so mühsam hier. Wie lange sitzen wir schon? Warum rührt sich der neben mir nie bis zum Gong? Warum ruht der so in sich? Wie macht der das? Blöde Fliege…verzupf di! nicht in mein Ohr! Nein. Wieso kitzelt die Fliege grade mich? Jetzt ist sie am rechten Stirnansatz und ich spüre wie sie nach links krabbelt. Dieses verdammte Vieh! Stink ich?
Duschen hier ist aber auch verdammt blöd. Nur eine für 20 Leute. Und nur ein paar getaktete Minuten um Wasser über den Körper zu lassen. Wieso muss ich jeden Morgen die Toiletten putzen? Ich wär so gern bei der Gartenarbeit. Immer erwischt es mich! Immer bin ich der arme Hund. Und dieser Frühstücksbrei. Mir graust so davor. Wieso bin ich zum Schweigen gefahren? Ich hätte Strandurlaub machen können. Depperte Fliege bitte flieg zu dem Typ neben mir, den bringt eh nichts aus der Ruhe. Wie viele Minuten muss ich noch sitzen? Einatmen. Ich atme ein. Ausatmen. Ich atme aus. 1 aus. 2 aus. 3 aus. … Warum war ich nur so lange in diesem Stressjob? Was wird wohl jetzt aus mir werden? … 18 aus. Verdammt ich soll nur bis 10 zählen. Also gut: 1 aus. 2 aus…. Wo bleibt der Gong?! Wieso schlägt niemand den Gong!? Ist der Lehrer eingeschlafen? Verdammt ich darf nicht schauen. Man schaut nicht herum, Astrid! Ich glaub er schläft. Wir sitzen sicher schon 1h. Konzentriere dich aufs Atmen – nicht denken, Astrid! 1 aus. 2 aus. 3 aus. … Richte die Wirbelsäule auf! Aufrichten! Mann ich sterbe! Ich will mich bewegen. Ich muss den Oberkörper drehen sonst bringt mich der Schmerz um! Oh Gott: ich spür meine Füße nicht mehr. HILFE ICH STERBE! Es beginnt bei den Füssen. Die Fliege freut sich schon. ICH DREH DURCH! ICH HALTE DAS KEINE SEKUNDE LÄNGER AUS!!!! ------- GONG
Ich saß gewiss nicht da um erleuchtet zu werden und ich war weit davon entfernt in glückseligen Zuständen zu schweben, konnte mir gar nicht vorstellen wie sowas ausschauen soll. Ich wollte nur meine Gedanken sondieren, von meinem bisherigen Leben Abschied nehmen, mich ein wenig sammeln und ich brachte eine Menge Voraussetzungen mit. Schließlich war ich ein spiritueller Mensch, ein Yogi, von außen betrachtet die Ruhe in Person, konnte schon immer viel Schweigen, hatte kein Problem mit mir allein zu sein, aber im Zendo zu meditieren, nein das schien sich für mich nicht auszugehen.
Zuerst habe ich meine Schmerzen bekämpft, dann meine Gedankenspiralen, dann die Müdigkeit, ständig die eingeschlafenen Füße, alles Negative das hoch kam und dann am vorletzten Tag ist mir doch noch ein kleines Licht aufgegangen. Endlich konnte ich ein wenig Abstand zu meinen Gedanken und meinen Schmerzen nehmen. Endlich hatte ich einen kleine Ahnung davon, was es bedeutet Beobachter sein, sich nicht mit den Gedanken oder dem körperlichen Schmerz zu identifizieren. Endlich konnte ich mit Neugierde beobachten, wie sich alles mit jedem Atemzug verändert: die Gedanken die vorüberziehen und keine Stille wollen, die Rückenschmerzen sich verändert und fast aufgelöst hatten und die Wahrnehmung in den Beinen, die eher zurückkam. Warum kämpfe ich eigentlich ständig gegen alles und vor allem gegen mich selbst? Warum denke ich immer die Welt und die Fliegen sind gegen mich? Und warum mach ich mir so viel Sorgen um die Zukunft und tu mir so schwer Vergangenes los zu lassen?

Es sind die Wellen des Universums die uns hadern lassen mit dem Leben und uns selbst.
Aber wenn du einmal surfen kannst, dann ist das ein echter Spaß und
wenn dich die Wellen doch mal überraschen und du vom Brett gefegt wirst,
bist du ziemlich schnell wieder on Top! Denn wer will sich schon den Spaß nehmen lassen?
Relax! Nothing is in control! Just sit and surf.
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Reinhard Neuwirth (Montag, 08 Mai 2017 15:04)
cool geschrieben... hat mir einiges an Grinsen entlockt ;-)... echt aus dem vollen (Meditations-)Leben gegriffen...
kann ich sooo gut nachvollziehen... und ich bin auch Yoga-Profi... nur viele in der Branche trauen sich das nicht zu sagen, daß das mit dem "Beobachter-sein" nicht so easy ist...
Danke, das gibt mir Hoffnung, daß mir auch mal ein kleines Licht aufgehen wird :-)
Namasté, Reini