SPRECHVERBOT UND VERSTOPFTE ABFLÜSSE

Man mag meinen, dass wenn der Sommer Einzug hält alle Stolpersteine des Lebens in der Versenkung verschwinden und man sich auf sanften Wellen des Lebens treiben lassen kann. Mit der Sonne am Bauch, der Sonnenbrille auf der Nase und dem Popo auf der Schwimmmatratze. Die Sonne scheint und die Welt ist in Ordnung.

 

Ich war gerade aus dem Land der aufgehenden Sonne zurück und das schien doch Gutes zu verheißen. Irgendwie hatte ich die Sonne ja im überschweren Gepäck mitgeschleppt, so neben Matcha, Origami und Räucherstäbchen. Meinem Abfluss war das aber wurscht. 2 Tage vor meinem Wochenendtrip nach Vorarlberg wollte der plötzlich nichts mehr schlucken. Nun war er noch nie der Schnellste, schließlich hat er 4 Zugänge zu bedienen, aber jetzt war er in Streik. Stehendes Gewässer mit totem Zeug in meiner Wohnung im Sechsten. Still-Stand.

 

Pumpen und Luftstöße förderten nur noch Schrecklicheres zutage und trotzdem ging nur über die Nachtstunden langsam was weiter. Ein bisserl was konnte die Schwerkraft noch ausrichten. Ich entschloss mich mit Chemie ranzugehen, doch das war erfolglos. Vielleicht reicht eine Flasche nicht?

 

Teller wurden auf gute und alte Familien Manier in einem großen Bottich in der Badewanne gespült. Zähne geputzt wurde auf der Toilette über dem Miniwaschbecken und an die Waschmaschine war nicht zu denken.

 

Noch bevor ich mich auf den Weg nach Vorarlberg machte schüttete ich erneut eine Flasche Chemie in die Rohre. Es war zu hoffen, dass sich nach 4 Tagen chemischer Angriff was löst. Vielleicht hilft Geduld?

 

Ich meditierte 3 Tage mit Deutschen, Schweizern und Österreichern für mein Selbstmitgefühl und für mein freies Rohr. Mit noch mehr Schmutzwäsche im Gepäck düste ich unter Regenschauern übers große Deutsche Eck und fragte mich wo die Sonne geblieben war? Was soll das für ein Zeichen vom Himmel sein? Fließt mein Dreck jetzt endlich wieder ab oder muss ich jetzt doch einen Klempner rufen? Was wird mich daheim erwarten?

 

Es war nicht erfreulich kann ich euch sagen. Ich schmiss die Schmutzwäsche in den übervollen Korb und ging zu Bett.

 

Am nächsten Morgen bei einem japanischen Reisfrühstück viel mir ein, dass ich doch mal eine ordentliche Internetrecherche zu meinem Abflussproblem machen könnte, bevor ich einen Klempner google. Und da war ich dann auf einer Seite mit Hausmitteln gegen verstopfte Abflüsse und da stand die Methode, die es mir Faulpelz leicht macht gegen mein Problem was zu tun. Nämlich mit dem Arbeiten was da ist – ohne großen Aufwand. Essig + Backpulver. Damit befeuerte ich zuerst den Waschbecken Abfluss im Bad. Bessere Chemie scheint es nicht zu geben. Der Abfluss begann wie ein Vulkan zu brodeln und nach der zweiten Befeuerung begann es in der Mauer zu glucksen. Endlich ging im Bad die Sonne wieder auf. Der Küchenabfluss war ein Klacks! So eine Stromgeschwindigkeit wurde im Sechsten noch nie gemessen. Jipppie Freudensprung.

 

Das nächste Wochenende stand vor der Tür. Ich sollte wieder meditieren. Diesmal in Wien, bei Sonnenschein und freiem Abfluss über der Donau. Doch mein Hals war trocken und ich merkte, dass sich da was auftat, was nicht in meinen Plan passte. Diesmal wollte nichts raus. Es hätte viel zu sagen gegeben an diesem Wochenende, doch es blieb beim Nötigsten. Danke! Ich bin jetzt Meditationslehrerin.

 

Am Dienstag sang ich ein OM, dass Darth Vader nicht besser hinbekommen hätte, was eine Welle von Lachyoga hätte auslösen können. Am Mittwoch saß ich bei meiner Ärztin und sie sagte: Nicht singen, nicht flüstern, nicht sprechen. Halten Sie einfach ein paar Tage den Mund.

 

Als hätte ich noch einen Ton rausgebracht. Es ging eh nicht mehr. Ich ging heim. Die Sonne brannte auf die Pflasterscheine und auf mich. Es waren 30 Grad angesagt und ich lag nicht mit Sonnenbrille auf der Nase, Sonne am Bauch und Popo auf der Schwimmmatratze im fließenden oder stehenden Gewässer. Das Leben ist gemein. Schweigetage sind es auch. Still-Stand.

 

Wenn im Leben mal was zum Still-Stand kommt, dann ist das eine gute Gelegenheit mal draufzuschauen was da so ist, was man verschweigt, was man zerredet, was man so denkt, was einem fehlt und was es braucht. Doch wenn der Abfluss wieder rinnt und Gedanken sich erneut zu hörbaren Worten formen, dann ist da viel Dankbarkeit für die kleinen und alltäglichen Dinge im Leben, die wir so selbstverständlich nehmen.

 

 

 

 

Gratefulness is the key to a happy life

that we hold in our hands,

because if we are not grateful,

then no matter how much we have we will not be happy

- because we will always want to have

something else or something more. 

David Steindl Rast

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0