DER ANDERE BUDDHA - Leben im Schlachthausviertel

 

Freitagnachmittag. Letzter Schultag. Ich gehe in meinem letzten Bürooutfit bei sengender Nachmittagssonne über den Platz des Mediacenters im Schlachthausviertel. Um mich herum eine Menschenhorde, die das Digitale Zeitalter bestimmt. Ich kann es noch fühlen, was hier einst geschah mit den vielen leblosen Tierkörpern. Irgendwie fühle ich mich gerade auch geschlachtet. Die Prozedur hat nur 75min gedauert. Normalerweise verlassen die Seniorenyogis nach dieser Zeit völlig entspannt meine Yogastunden. Doch werde ich gerade erinnert, dass man in dieser Zeit auch den umgekehrten Weg gehen kann - nämlich hin zu völliger Überforderung.  

 

Ich sprach von der Widersprüchlichkeit der heutigen Welt, vom tiefen Durchatmen, von Auszeiten, vom Besinnen und Konzentrieren, von Gestaltungsspielräumen, von Zeiten in denen das Faxgerät den Büroalltag beherrschte und von VUCA - eine dieser neuen Abkürzungen, die ich kürzlich aufgeschnappt hatte. Er sprach von Chaos, Vacuum, Investitionen, LGBTQIA+ im digitalen Zeitalter, von CPM, KPIs, PA, BI, AI und Schafen auf Messen. Es schien fast, die ganze Welt des bewussten Seins und die ganze Welt des digital getriebenen Reaktionismus prallten zusammen. Langsamkeit und Schnelligkeit. Wäre es eine Uniprüfung gewesen, so wäre ich mit Schussapparat und Rippenzieher durchgefallen. Fragen ersparte ich mir, es wäre nur ein Kratzen an einer Oberfläche gewesen, die ich in diesem Moment nicht beabsichtigte zu durchdringen.  

 

So unvereinbar und so gegensätzlich es von außen auch erschien, was in diesen 75 min gesprochen wurde, war doch alles eins. Es war das Kontinuum auf dem sich die Gesellschaft gerade bewegt. Auf der einen Seite sitzen die, die durch Ruhe und Beobachtung beginnen ihr eigenes Leben und das ihrer Umgebung in Bewusstheit, Klarheit und durch Mitgefühl zu formen. Auf der anderen Seite sitzen die, die mit aller Kraft versuchen die Kontrolle über das mächtige Datenuniversum zu erlangen.  

 

Dann für einen Moment dachte ich, dass sich die Macht in Richtung Sein bewegt. Er sagte: Ja genau, so ist es. Sie haben Recht. Es ist wie Buddha sagte...ah nicht Buddha...nein...wie heißt der andere nochmal? Wow, dachte ich, er sucht den anderen Buddha. Ich dachte an Jesus und zögerte noch ein paar Momente seinen Namen auszusprechen. Hier war ja nichts klar und vorhersehbar, alles Chaos im digitalen Zeitalter. Da sagte plötzlich sein Kollege: Dalai Lama. Und er rief aus: Ja genau! Der Dalai Lama. Und dann versuchte er wiederzugeben, was seine Heiligkeit in Bezug auf Fleischkonsum von sich sagte. Es war sehr umständlich und verwirrend bis er zum Punkt kam und zugegebener Massen auch nicht die Worte des Dalai Lama, sondern nur der Sinn von dessen was er wohl irgendwie meinte. Ja so ist es in der Welt der Daten. Kein Mensch kommt einfach mal so auf den Punkt. Zuviel Informationen über die Vergangenheit angesammelt, die noch berücksichtigt und interpretiert werden könnten - für noch mehr Macht in der Zukunft.  

 

Jedenfalls kurz vor meiner digitalen Erleuchtung landet dann das Gespräch beim Segeln am Neusiedler See. Da wusste ich, es gibt nichts mehr zu sagen, auch wenn ich auf diesem Gebiet mit viel Expertise hätte punkten können. So ein Tag mit Blick auf weisse Bermudasegel und blauen Horizont unter dir der Schlamm des Steppensees, der bringt jeden noch so Getriebenen in die Langsamkeit.  

 

No Mud. No Lotus. …. von welchem Buddha war das nochmal? 

 

 

 

 

good vibes

happen on the tides. 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Katrin (Donnerstag, 01 August 2019 11:44)

    Ganz wunderbar geschildert!

    :)